20.11.2023 Gedenkakt am Mahnmal Gebeugter Leerer Stuhl, Rathaus Pasing
Biografie Franz Stenzer
Das Erinnerungszeichen für Franz Stenzer wurde am 22. August 2023 am Eingangstor zur Wohnanlage Nimmerfallstraße 50-58 anlässlich seiner Ermordung vor 90 Jahren im Konzentrationslager Dachau enthüllt. Am selben Tag eröffnete seine Enkelin Tatjana Tröger in Berlin eine Ausstellung mit dem Titel „Wer war Franz Stenzer?“
Franz Stenzer kam am 9. Juni 1900 in Planegg als Sohn der unverheirateten Arbeiterin Josefa Stenzer zur Welt. Nach Abschluss der Volksschule brach er eine Lehre als Bootsbauer ab und ging als Streckenarbeiter zur Reichsbahn in München. Im Ersten Weltkrieg wurde er mit 17 Jahren zur kaiserlichen Marine eingezogen. Weil er gegen den militärischen Drill aufbegehrte, erhielt er einen Monat strengen Arrest.
Nach Kriegsende kehrte Franz Stenzer nach Pasing, wo er seit 1917 wohnte, zurück und arbeitete im Bahnbetriebswerk I in München. Er nahm 1919 als Soldat der Roten Armee am kurzlebigen Versuch einer Münchner Räterepublik teil. 1920 trat er in die Kommunistische Partei (KPD) ein, begann sich gewerkschaftlich zu engagieren und wurde in den Betriebsrat des Bahnbetriebswerks gewählt.
Am 12. August 1922 heiratete er die Arbeiterin Emma Bausch. Dem Paar wurden drei Töchter geboren: 1923 die Zwillinge Elsa und Emma und 1927 Lilly. Die Familie lebte in der Friedrich-Ebert-Straße 1c in Pasing (heute Nimmerfallstraße 54) in einer Wohnung der „Baugenossenschaft für Kleinwohnungsbau Pasing“, in der Franz Stenzer Mitglied war.
1924 übernahm Franz Stenzer als KPD-Funktionär die Leitung des Bezirks Südbayern. 1930 wurde er zum Chefredakteur der Parteizeitung „Neue Zeitung“ in München berufen. 1929 und 1932 delegierte ihn die Partei nach Moskau an die internationale Lenin-Akademie, wodurch er in die obersten Ränge der Parteihierarchie aufstieg.
Darüber hinaus war er in der Kommunalpolitik tätig: Im Jahr 1930 wurde er für seine Partei in den Pasinger Stadtrat gewählt und setzte sich während der Weltwirtschaftskrise besonders für die Belange der sozial Schwachen ein. Im November 1932 erreichte er mit der Wahl zum Reichstagsabgeordneten mit nur 32 Jahren den Höhepunkt seiner politischen Karriere. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 musste Franz Stenzer in den Untergrund gehen und organisierte aus der Illegalität heraus die Parteiarbeit sowie den kommunistischen Widerstand in Bayern.
Am 30. Mai 1933 verhaftete ihn die Gestapo in seinem Versteck in der Roecklstraße in München und lieferte ihn in das KZ Dachau ein. Dort war er schwersten Folterungen ausgesetzt und wurde ab 10. August unter verschärften Kommandantur-Arrest gestellt. Am 22. August 1933 ermordete ihn die SS mit einem Genickschuss. Franz Stenzer wurde nur 33 Jahre alt und war der erste von insgesamt 96 Reichstagsabgeordneten, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Eine Art politisches Vermächtnis hinterließ Franz Stenzer in einem Brief an seine Familie aus der Haft mit folgendem Zitat: „Für Höheres als das eigene Sein zu kämpfen und zu leiden, Opfer zu bringen und Mut zu entwickeln, das gibt Lebenskraft, gibt dem Leben erst seinen Sinn und macht das Leben lebenswert...“
Seine Ehefrau Emma Stenzer wurde seit April 1933 als Geisel in Stadelheim inhaftiert und bekam für die Beisetzung ihres Mannes Hafturlaub. Sie flüchtete über mehrere Stationen mit den drei Kindern in die Sowjetunion. 1946 kehrte sie nach Deutschland zurück und lebte in der DDR. Sie starb 1998 in Berlin.
(Text Doris Barth)