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Das Kinderheim der Gretl Bauer-Elkan in Neu-Esting

Dokumente 3: Brief von John L. Englander

zur Transkription


Ein Brief von John L. Englander vom 10. Januar 1998 aus New York, der sich darin an seine unbeschwerten Sommerferien-Aufenthalte in Neu-Esting Ende der 20-er Jahre erinnert. Davon zeugen die nebenstehenden Fotos, die er im Exil aufbewahrt und mitgeschickt hat.

Transkription:

John L. Englander
110-45 Queens Boulevard
  Forest Hills, N.Y. 11375


10. Januar 1998


Herrn Tobias Weger
Chiemseering 19
85551 Heimstetten

Sehr geehrter Herr Weger:

Durch Zufall und ziemlich verspaetet entdeckte ich Ihre Anzeige  im Aufbau, wobei mir die Schlagzeile „Olching/Bayern“ besonders ins Auge fiel; und als ich dann beim Weiterlesen Kinderheim Neu-Esting zu sehen bekam, da kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus: Tatsaechlich war ich verschiedentlich unter den„Pfleglingen“ von Frau Gretl Elkan-Bauer; sie selbst ist mir wenn auch nicht in klarer so doch in sehr sympathischer Erinnerung.
Unter den sehr wenigen bei meiner Auswanderung in 1938 geretteten Photographien befinden sich zufaellig einige vom Kinderheim; eine davon ist in Form einer Postkarte, die, wie ich heute zum ersten Mal entdeckte, sogar den Stempel „Kinderheim Neu-Esting, Muenchen-Olching“  aufgedruckt hat. Meine Besuche dort waren einige Zeit vor dem Beginn des Nazi Regimes; es muss in den spaeten zwanziger Jahren gewesen sein (leider geben meine Photos darueber keine Auskunft); in der Haupt-sache portraitieren sie eine Aufführung von „Schneewittchen“ das von einer Münchnerin namens Else Weinberger gespielt wurde. Ich selbst spielte einen der sieben Zwerge und kann mich noch genau an die Vorstellung erinnern. Ich glaube dass die Tochter des Hauses (Inge Bauer?), ein huebsches blondes Maedchen auch eine Hauptrolle spielte.
Wie Sie sagen, so waren die meisten der jungen Gaeste aus Muenchen: Die Brueder Werner und Walter Stark, Peter Bloch und vor allem Irmi Gross (einige Jahre aelter als ich),die spaeter als Tennis Meisterin zu Ruhm gelangte und in meiner damaligen Heimat, Augsburg, bei Tennis Tournieren unter den jungen Herren grosse Aufregung verursachte. Fuer mich war sie wie eine aeltere Schwester und per Zufall wanderten wir beide zusammen auf dem Dampfer „Washington“ im Mai 1938 nach New York aus, wo die Freundschaft noch laengere Jahre anhielt.  Ich weiß aber nicht, was aus ihr geworden ist.
Ein Augsburger Freund, der auch immer dort war, war der verstorbene Richard Untermayer (Vetter des Muenchner Peter Bloch), ich teilte mit beiden ein Zimmer,
Kurze Auskunft über mich: Meine muetterlichen Grosseltern waren Kom. Rat Hugo und Lina Steinfeld (das Geschaeft war Wimpfheimer & Co.); meine Eltern waren Dr. Paul & Hedwig Englander; der Vater aeusserst  tuechtiger und beliebter Zahnarzt. Alle sind im Holocaust durch Freitod ums Leben gekommen. Meine Schwester Elisabeth (Lisl) kam schon vor mir nach Amerika und ist in 1980 gestorben.
Wenn Sie etwas über Neu-Esting schreiben werden, wuerde ich gerne davon eine Kopie erhalten. Inzwischen
Mit freundlichem Gruss

John Englander

 

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